ESF-Projekt entwickelt neue Wege

Basisbildung neu denken 

27.07.2020, Text: Elisabeth LasserRedaktion: Doris Rottermanner, Kärntner Bildungswerk/Ring ÖBW
 
 
Das Entwicklungsprojekt „Basisbildung neu denken“ setzt auf einen neuen Ansatz innerhalb der Basisbildung: „Positive deviance“ soll den Zugang zu Teilnehmenden schaffen und Inhalte „von der Zielgruppe für die Zielgruppe“ vermitteln.
Abbildung: Alle Rechte vorbehalten, Edith Steiner Janesch, Basisbildung neu denken, auf erwachsenenbildung.at
Basisbildung schafft neue Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. 
Abbildung: Alle Rechte vorbehalten, Kärntner Bildungswerk Betriebs GmbH, Flyer für den ersten Durchlauf des Lehrgangs, auf erwachsenenbildung.at
Motivation für die Zielgruppe: Mut zur eigenen Weiterentwicklung! 

Die ersten Basisbildungsangebote sind in Österreich in den frühen 1990er Jahren zu verzeichnen, damals ausgehend von der Volkshochschule Floridsdorf. Die Kurse richteten sich an Personen mit Deutsch als Erstsprache sowie an Migrantinnen und Migranten. Ausschlaggebend hierfür war das im Jahr 1989 von der UNESCO ausgerufene „Internationale Jahr der Alphabetisierung“. Seither fanden Basisbildungsangebote den Einzug in die österreichische Erwachsenenbildung.Das Kärntner Bildungswerk führt aktuell in Kooperation mit den Kärntner Volkshochschulen und dem Verein Bildung und Lernen, seit Beginn 2019 das Projekt „Basisbildung neu denken“, gefördert durch den Europäischen Sozialfonds, an drei Standorten in Kärnten durch. Hierbei werden neue Ansätze und neue Methoden eingesetzt, um ein innovatives Basisbildungsangebot zu entwickeln.

Was ist nun das „Neue“?

Basisbildungsangebote richten sich in erster Linie an Menschen, die deren Kompetenzen in den Lernfeldern Lesen, Schreiben, Rechnen, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Lernen lernen verbessern möchten. Laut Schätzungen betrifft dies beinahe eine Million Menschen in Österreich. Im ESF-Projekt „Basisbildung neu denken“ sollen im Besonderen Menschen in ländlichen Regionen durch den „Positive-deviance-Ansatz“ erreicht und zur Teilnahme an einem Kursangebot motiviert werden. Dieser Ansatz ist im deutschsprachigen Raum noch weitgehend unbekannt, wird allerdings schon seit den 1970er Jahren im Gesundheitsbereich, im Kinder- und Jugendschutz sowie teilweise auch im Bildungsbereich eingesetzt. Der Ansatz ist stärkenorientiert, soll vorhandene Lösungen sichtbar machen und kann bei hartnäckigen Problemlagen eingesetzt werden, um Veränderungsprozesse zu initiieren.

Sogenannte Positive deviants sind positive Ausreißer – Menschen mit einem positiven, abweichenden Verhalten, welches dazu führt, Veränderungen herbeizuführen und diese an Gemeinschaften weiterzugeben. Positive deviants sind sich oftmals nicht bewusst, dass sie durch ihr Verhalten und ihre Lösungsansätze, Veränderungen innerhalb von Communities bewirken können. Im Kontext der Basisbildung geht es nun zunächst darum, Positive deviants zu eruieren, um schließlich Lösungen von der Zielgruppe für die Zielgruppe zu finden. Im Zuge des Projekts wurden bei Projektstart mehrere Positive deviants (PD´s) in den jeweiligen Netzwerken der Kooperationspartner ausfindig gemacht. Mithilfe verschiedener Methoden der Biographiearbeit konnten diese Mitmenschen befragt und deren individuelle Lebensstrategien herausgearbeitet werden. Dadurch haben sich letztendlich konkrete Themen und Inhalte für die Basisbildungsangebote ergeben.

Die Erreichbarkeit der Zielgruppe

Durch Strukturwandel und zunehmende Urbanisierung kommen ländliche Regionen immer mehr ins Hintertreffen. Davon sind auch Bildungsangebote betroffen, vor allem jene im Erwachsenenbildungsbereich und hier im Besonderen Basisbildungsangebote. Die Zielgruppe sind bildungsbenachteiligte Menschen mit Basisbildungsbedarf, die im Laufe ihres Lebens entweder durch Krisen, Umzüge oder Krankheiten, Bildungsabbrüche miterleben mussten. Zum einen werden diese Personen durch den zugrundeliegenden Positive-deviance-Ansatz erreicht und motiviert, am Lehrgang teilzunehmen bzw. durch diese anderen Menschen mit ähnlichen Schicksalen zu einer Kursteilnahme aktiviert. Zum anderen wird durch intensive Netzwerkarbeit die Zielgruppe erreicht. Durch einen kompetenzorientierten Zugang als auch einem offenen Lernortcharakter werden die Angebote stark durch die Teilnehmer*innen mitentwickelt und als Experten und Expertinnen der individuellen Lebenswelten miteinbezogen. Bildungsinhalte werden nach den jeweiligen Bedürfnissen und Interessenslagen entwickelt und erprobt. Dadurch eröffnen sich für die Teilnehmenden neue Chancen und Möglichkeiten der gesellschaftlichen Mitwirkung und Partizipation. Wege zurück in das Erwerbsleben oder in weitere Bildungsmaßnahmen sollen geebnet und Hemmnisse abgebaut werden.

Lernen im offenen Lernlabor und Kompetenzen sichtbar machen

Ein offenes Lernlabor versteht sich als interessensgeleitetes Lernangebot von und für Gemeinschaften, angelehnt an das Freiraumkonzept eines „Offenen Technologielabors“ (OTELO). Dieses soll Menschen dazu einladen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Interessen, Wissen und Erfahrungen miteinander zu teilen und zu verwirklichen. Angelehnt an dieses Prinzip werden die Basisbildungskurse durchgeführt. In „offenen Lernräumen“ (Kärntner Bildungswerk), „Lernkreisen“ (Verein Bildung und Lernen) und „Lerncafés“ (Die Kärntner Volkshochschulen) werden die Teilnehmenden motiviert, sich am Kurs zu beteiligen. Durch eine eingangs durchgeführte Kompetenzerfassung und Lernstandsmessung werden bei Kursantritt Kompetenzen sichtbar gemacht und gemeinsam Ziele erarbeitet, die in einem Aktionsplan niedergeschrieben und definiert werden.

Ergebnisse nach Ablauf der Programmperiode

Nach Abschluss des ersten Kursdurchgangs im Sommer 2020 wird in Schreibwerkstätten eine Handreichung für den zweiten Durchgang (Herbst/Winter 2020 bis Frühjahr 2021) erarbeitet. Nach Ende der Projektlaufzeit 2021 wird eine Vorlage zur Zielgruppenerreichung vorliegen sowie ein Lehrgangskonzept, welches die Lebenswelten der Teilnehmenden mit einbezieht und berücksichtig. Diese Ergebnisse werden öffentlich gemacht und sollen Einzug in weitere bzw. bestehende Basisbildungsangebote finden.

 

Weitere Informationen

 

 Literatur

Doberer-Bey, Antje (2013): Sonst hat man ja nichts, wenn man nix lesen kann. Alphabetisierung und Basisbildung mit Erwachsenen. Wien.

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